Dienstag, 5. Oktober 2010

Unterhaltung pur - Fernsehen in Japan

Wenn man in Japan einmal die Gelegenheit hat, es sich am Abend auf einer Couch bequem machen zu können und den Fernseher einzuschalten, wird man in eine etwas andere Unterhaltungswelt eintauchen, als man es wahrscheinlich in Deutschland gewohnt ist. Die Eigenheiten der japanischer Fernsehkultur, denen man beim gemütlichen Stündchen vor der Glotze begegnen könnte, sind sowohl interessant, als auch so umfangreich, dass man sogar eine Abschlussarbeit darüber schreiben könnte.

Erwähnt sei hier noch, dass ich mich insbesondere den japanischen Unterhaltungsshows widmen werde, da diese sich am stärksten von unseren Formaten unterscheiden. Nun aber Füße hoch, bitte nicht umschalten und bleiben Sie dran!

Die "Prime-Time" (also die Zeit, in der rein statistisch gesehen die meisten Menschen fernsehen sollten) wird in Japan als "Golden-Hour" bezeichnet und liegt ungefähr zwischen 20 und 21 Uhr. Dort strahlen die Sender ihre besten Formate ins Land und hoffen auf gute Einschaltquoten.

In dieser Zeit kann man auch viele Spezialsendungen sehen, die sich oftmals um ein oder mehrere spezielle Themen drehen, und in denen ein bekannter Moderator mit seiner Co-Moderatorin auftritt. Dieser begrüßt nun seine vielen, vielen Gäste, welche aufgrund ihrer Vielzahl platzsparend auf einer treppenartigen Tribüne platziert werden. Es gibt nämlich kein großes Gästesofa der Marke „Wetten Dass?“. Für den Fall, dass auch Spezialisten in der Show auftreten, sitzen diese dann auf der anderen Seite des Bühnenbildes, und dürfen von dort ihre hochgeschätzte Expertenmeinung abgeben.

Schön gestapelt: Bei oftmals mehr als zehn Gästen in der Show müssen diese platzsparend arrangiert werden.

Was einem übrigens an der Dekoration im Studio auffällt, ist die starke Dominanz knallbunter und ausladender Beschmückung. Ohne Rücksicht auf Verluste werden knallige Farben mit blinkenden Lichtern kombiniert und diese überall im Studio verteilt, damit dem Zuschauer bloß nicht langweilig werden könnte. Oftmals sieht man auch aufwändig zusammengestellte Blumensträuße, hinter denen sich auch schon ab und an ein Kameramann verstecken kann.

Nur ein kleiner Ausschnitt, aber man sieht, wie es im Hintergrund funkelt und strahlt.

Und es bleibt nicht nur bei dem Bühnenbild, wenn es um aufwändig gebastelte Dinge geht. Alles, was man genauer erklären oder zeigen möchte, wird entweder zusammen mit einem bunten Bild dargestellt, oder sogar im Studio, anhand von Puppen oder Schautafeln, erläutert. Manchmal hält der Moderator zum Beispiel auch nur ein einfaches Pappschild hoch, von dem er dann nach und nach Sticker entfernt, welche Rangplätze etc. verdeckt haben. So etwas an einem Bildschirm zu zeigen, wäre ja wahrscheinlich auch weniger (be-)greifbar, oder?
Oftmals werden im Studio sogar die Nahrungsmittel aufgefahren, welche im Beitrag zuvor gezeigt, damit sich auch die Treppenprominenz ein Bild vom Geschmack machen kann (reichlich gegessen wird im Studio übrigens nicht nur zu Kochsendungen).



Schön anschaulich: Egal ob mit Bild oder sogar gebastelter Tafel. Anschaulich kann man nachvollziehen, wie es aussieht, wenn man beispielsweise oft an andere Leute rempelt, oder wie die Nerven im Körper verlaufen.

Wenn während der Show etwas gesagt wird, das einer Betonung bedarf, oder einfach nur lustig sein soll, so wird der Sprecher unverzüglich mit einer passend formatierten - manchmals sogar auch animierten - Schrift unterlegt, um es noch mehr zu betonen. Und diese Untertitel sind nicht wegen den Hörgeschädigten entstanden! Die Texte für Hörgeschädigte kann man sich nämlich auch separat einblenden lassen, was bei den digitalen Programmen auch fast immer machbar ist.

Zur Festigung des bisher Gelernten, habe ich nun ein kleines Video hier hereingepackt, in dem man einige der bisher genannten Dinge wiederfinden kann. In dieser Show namens "Himitsu no Kenmin Show" (grob: "Die Show der geheimnisvollen Präfekurbewohner") werden japanische Präfekturen erklärt, und einige ihrer Spezialitäten und Attraktionen vorgestellt. Hier ist es Fukushima.



Nun aber weiter im Text.

Kommen nun Beiträge in der Show, so fallen einem in den Bildschirmecken oftmals die Promis in den kleinen Kästchen auf, die sich gerade in irgendeiner Reaktion offen über das gerade Gezeigte äußern. Und diese Reaktionen sind bei Japanern häufig und offen heraus. Denn während Unsereins dem Beitrag still zuhört, wird unter Japanern alles kommentiert und merklich zur Kenntnis genommen. Ausdrücke des Erstaunens gehören dabei sogar schon genauso zum Stammrepertoire, wie das ausdrucksvolle Verstehen. Ab und an, hört man sogar das Publikum im Hintergrund in schierer Verwunderung mit „Ohhh!“ und „Ahhh!“ aufschreien. Das sind keine Überreaktionen! Das ist ein Zeichen, dass man dem Gezeigten seine vollste Aufmerksamkeit schenkt. (Dieses Phänomen lässt sich übrigens sogar in Alltagsgesprächen wiederfinden, was während Unterhaltungen mit ihnen den Eindruck erwecken könnte, dass Japaner etwas „euphorische“ oder „überaktive“ Zuhörer sein könnten.)

Auch im japanischen Fernsehen kommt man nicht um Werbung herum. Doch es lohnt sich erst gar nicht die Fernbedienung zum Zappen in die Hand zu nehmen, denn nach ein oder zwei Minuten geht das Programm auch schon wieder weiter. Für den an ewig lange Werbepausen gewohnten Deutschen ist dies wahrhaftig nur ein kurzer Augenblick, doch der Schein von Blitzwerbung im japanischen Fernsehen hat einen bitteren Nachgeschmack: Die Pausen kommen häufiger. Kaum ist ein Werbeblock vorbei, ist nach 15 Minuten Sendung schon wieder der Nächste dran.
Und das Timing scheint perfekt. Kurz bevor die Webung startet, gibt es eine kleine Vorschau. Damit in ihr aber nicht alles verraten wird, werden die wichtigen Bilder verpixelt, und die Sätze übertönt. Wenn also während der Sendung jemand plötzlich eine verschwommene Pixelmasse mit Stäbchen hochhebt, dann ist die nächste Werbepause auch nicht Fern.

Ja was könnte denn das sein? Jedenfalls ist hier wahrscheinlich nichts obszönes Zensiert worden. Sobald man diesen, mit "Geheimnis" markierten Pixelhaufen sieht, kann man schon mal zur Toilette gehen, denn die nächste Werbepause ist nicht fern.

Nach der Werbung sieht man dann, dass die Pixelmasse ein Stück saftiges Rindfleisch, Gemüse oder anderes Nahrungsmittel gewesen ist. In vielen Sendungen drehen sich die Themen um regionale Besonderheiten. Und dazu gehören bei Japanern neben lokalen Attraktionen auch Nahrungsmittel, welche in der Region am leckersten Schmecken sollen. Am Ende des ersten Videos wurde beispielsweise über eine besondere Zugabe für Sojasoße geredet, die nur in der japanischen Präfektur Fukushima bekannt sein soll. (Allgemein kennt ein Japaner die Ecken Japans größtenteils anhand der dort vorkommenden Spezialitäten.)
Es können sich sogar ganze Sendereihen um die leckersten Restaurants für Reis oder die besten Anbaugebiete für japanischen Rettich drehen. Jede Spezialität wird dann auch dementsprechend mit einer Nahaufnahme ins Bild gefasst.



Leckerschmecker: Alles, was essbar ist, bekommet eine Nahaufnahme. Japaner wissen nun mal das Essen zu schätzen. Aber wenn man Hunger haben sollte, dann drücken solche Bilder noch mehr auf den Magen.

Das war nun mein Mammuteintrag, und falls noch etwas Energie übrig sein sollte, der kann sich bei einem weiteren Video entspannen. Thema: Die Top 5 der Präfekturen Japans mit den ungeduldigsten Menschen.

Die Präfektur mit den ungeduldigsten Leuten ist übrigens Osaka, in der die Leute sogar bei Rot über die Ampel laufen, und niemand auf der Rolltreppe stehen bleibt.


Soweit von mir.

6 Kommentare:

  1. XD Herrlich!
    Allerdings hast du vergessen zu erwähnen, dass sich sowohl Moderatoren als auch Gäste bei 90% der Shows unsäglich zum Affen machen müsse; sei es, weil es peinliche Spiele gibt; sei es, weil über Peinliches geredet wird; sei es, weil irgendjemand einfach so ausgelacht oder geschlagen werden muss....

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  2. Du hast du all-abendlichen Karaoke-Sendungen vergessen... in denen das meist nicht vorhandene Gesangstalent trotz allen falschen Tönen immer gelobt wird. xD Und die Samurai-Serien, bei denen man immer sieht, dass die Schauspieler aufgeklebte Perücken tragen. xD Ich habe vor kurzem eine Unterhaltungsshow gesehen, bei der der Moderator zum Schluss eine Frau mit einem riesigen Plastikhammer verprügelt hat... japanisches Fernsehen ist schon merkwürdig. *gg*

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  3. Vielen Dank für deinen sehr informativen Text. Vieles von dem, was du schreibst, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Ich habe mich jedoch oft gefragt, warum es im japanischen Fernsehen so häufig Untertitel zu sehen gibt: Ich finde deine Erklärung hierzu sehr nachvollziehbar.

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